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Narretei Elektromobilität. Interview mit BYD-Chef Wang Chuanfu, einst Chinas reichster Mann

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Von CHRISTIAN GEINITZ

Bild zu: Narretei Elektromobilität. Interview mit BYD-Chef Wang Chuanfu, einst Chinas reichster Mann

Wer über die Automesse in Peking streift, die in dieser Woche bis zu 800.000 Besucher erwartet, stolpert allerorten über Elektrofahrzeuge. Die meisten sind noch Modelle, „Konzeptstudien” oder „Showcars”, wie das korrekter heißt. Das war schon vor zwei Jahren so und im vergangenen Jahr auf der Schwestermesse in Schanghai. Im Markt aber hat sich kaum ein Fahrzeug bisher bewährt.

Und das, obwohl kein anderes Land der Welt die Alternativantriebe derart fördert: mit viel Geld, mit staatlicher Unterstützung, mit politischen Druck, vor allem auf die ausländischen Autobauer. Die müssen eine eigene chinesische Marke und ein im Land entwickeltes und patentiertes E-Fahrzeug vorweisen, wenn sie weiter auf Genehmigungen für die Expansion im größten Neuwagenmarkt der Welt hoffen wollen.

Daimler macht auf der Messe mit seinem chinesischen Partner BYD besonders viel Wind. Gemeinsam hat man eine Marke und ein Elektroauto namens Denza entwickelt. Das schnittige Fahrzeug präsentieren zwei Kinder, wohl um die Zuschauer zu rühren und die Zukunftsfähigkeit der grünen Technik herauszustreichen.

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Doch die ist so lange Augenwischerei, wie der Strom für die Autos aus dreckschleudernden Kohlekraftwerken stammt, mehr als 70 Prozent der Elektrizität werden in China so gewonnen. Trotz Förderung der alternativen Stromerzeugung und des massiven Ausbaus der Kernkraft ist kein Ende dieser Abhängigkeit in Sicht. Nicht umsonst ist das Land der größte Kohlendioxydemittent auf dem Planeten; selbst pro Kopf liegt es über dem Durchschnitt.

Auch chinesische Hersteller wagen sich an die Batteriekutschen. So präsentiert der private Autobauer Great Wall ein knubbeliges Modell, das C20 heißt (erstes Foto). Am originellsten aber fanden wir den Plug-in-Hybriden der Marke Hong Qi („Rote Fahne”; drittes Foto). Sie gehört zum staatlichen Konzern (und VW-Zwangspartner) FAW und hofft derzeit auf ein Comeback.

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Früher waren die meisten Staatskarossen ein Hong Qi mit der stilisierten Flatterfahne auf der Kühlerhaube. Dann aber stieg Chinas Führung lieber in ausländische Modelle ein, vor allem in deutsche Audis. Neuerdings gibt es eine Rolle rückwärts: In einer Art Buy-Chinese-Kampagne werden Behörden und Regierungsstellen angehalten, wieder heimische Produkte zu ordern. Das Flaggschiff der Flaggenmarke, der L7, dreht sich auf dem Messestand gleich neben dem Hybriden: ein altmodischer Traum in Schwarz mit viel Chrom und aufgepflanzten Haltern für die Hoheitszeichen (zweites Foto).

Zurück zu den Batterieautos: Einer neuen Studie von McKinsey zufolge wurden in China seit 2009 gerade einmal 6700 Elektroautos verkauft. Damit rückt das Ziel in weite Ferne, bis 2015 eine halbe Million Elektroautos auf chinesische Straßen zu bringen. 2011 betrug der Elektroanteil am Gesamtverkauf 0,03 Prozent. Ähnlich schwach sieht es bei der Infrastruktur aus. In drei Jahren sollten eigentlich 400.000 Ladestationen fertig sein, 2011 wurden aber nur 16.000 errichtet.

Die Schwierigkeiten mit der Technik sind in China dieselben wie anderswo. Die Batterien sind zu groß, zu anfällig, sie brauchen mehrer Stunden, um aufgeladen zu werden. Die Reichweite ist begrenzt, es gibt kein ausreichendes Netz an elektrischen Tankstellen. Außerdem kosten die Fahrzeuge, wie McKinsey herausgefunden hat, trotz hoher staatlicher Förderung rund 150 Prozent mehr als konventionelle Autos. Auch unter Betrachtung der Gesamtkosten würden Batteriewagen in China nicht vor 2020 wettbewerbsfähig, heißt es.

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Kürzlich durfte ich in Shenzhen in Chinas bekanntestem Elektroauto mitfahren, dem E6. Es stammt von BYD, das in der Stadt seinen Sitz hat und dort auch den Denza bauen wird. Das Auto ist nicht hässlich, recht bequem und rollt im Verkehr gut mit. Als Passagier hat man Platz, aber wir hatten Mühe, sogar mein kleines Rollköfferchen im batterie-beengten Kofferraum unterzubringen. Während der Fahrt leuchtete permanent eine Warnanzeige auf dem Display. Der Fahrer konnte nicht recht erklären, warum. Er wusste lediglich, dass sich der Hinweis durch ein vollständiges Zurücksetzen der Elektronik löschen lässt…

Der E6 kostet trotz hoher staatlicher Kaufbeihilfen von 60.000 Yuan den Endkäufer noch immer 250.000 Yuan (30.000 Euro). Für den gleichen Preis bekommt man einen gut ausgestatteten VW Passat, der hier Magotan Luxury Style heißt. Kein Wunder also, dass erst einige Hundert E6 im Einsatz sind, vor allem als Taxis in Shenzhen selbst.

Auf der Reise in den Süden hatte ich die Möglichkeit, mit dem Gründer und Chef von BYD, Wang Chuanfu, ein Interview zu führen. Ich hänge es unten an. Wang ist ein bemerkenswerter Mann, er hat sich vom Bauernsohn zum Milliardär hochgearbeitet. Ende 2009, als nach dem Einstieg Warren Buffets bei BYD der Aktienkurs in die Höhe schoss, galt der Chemiker als reichster Mann Chinas. Das Vermögen wurde auf umgerechnet 5,1 Milliarden Dollar geschätzt. Damals war Wang Chuanfu erst 43 Jahre alt.

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Der Denza und jene, die an ihn glauben: BYD-Cehf Wang Chuanfu (4. von links) und Daimler-Chef Dieter Zetsche (3. von rechts)

„Der Denza kann in China zum Statussymbol werden”

BYD-Chef Wang Chuanfu über die Chancen der Elektromobilität im größten Automarkt der Welt

Herr Wang, warum sollte jemand das neue Elektroauto Denza kaufen, das Ihr Unternehmen BYD gemeinsam mit Daimler entwickelt hat?

WANG: In China herrscht eine riesige Nachfrage nach Autos. Wir haben jetzt schon den größten Neuwagenmarkt der Welt, trotzdem gibt es noch enormes Potential. Auf der anderen Seite müssen wir uns immer mehr Sorgen um die Umwelt machen, um die Versorgungssicherheit und um den Ressourcenschutz. Der Ölpreis steigt rasant. Da spricht alles für die Elektromobilität, vor allem in China. Deshalb sind wir sehr zuversichtlich über die Marktchancen des Denza.

Obgleich er noch teurer wird als ihr anderes Elektroauto E6?

WANG: Es gibt in China genügend Kunden, die das Geld haben. Schauen Sie sich nur an, was die Leute für Autos mit Verbrennungsmotoren ausgeben! Man muss sie aber von den Vorzügen der Elektromobilität überzeugen. Vergessen Sie nicht: Für Chinesen sind Autos ein Statussymbol. Der Denza hat das Zeug dazu, ein Statussymbol für solche Kunden zu werden, die ökologisch und energiesparend denken. Und das werden immer mehr.

Ihr E6 verkauft sich kaum. Lange kam er gar nicht auf den Markt, der angekündigte Export wurde zurückgestellt. Was wollen Sie beim Denza besser machen?

WANG: Die beiden Fahrzeuge lassen sich nicht vergleichen. Der E6 rangiert in einem niedrigeren Segment und ist eher als Taxi gedacht. Der Denza wird von der Technik und vom Design her höherwertiger sein. Dafür ist unsere Partnerschaft ideal: Wir bringen die Batterie und das Antriebssystem mit und kennen den Markt. Daimler hat Erfahrung mit Elektrofahrzeugen und seit 125 Jahren im Automobilbau, im Design, in der Sicherheit. Denza ist auf dem richtigen Weg, Marktführer bei den Elektrofahrzeugen in China zu werden.

Wie wichtig ist dafür staatliche Unterstützung?

WANG: Sehr wichtig! Die chinesische Regierung will bis 2020 rund 500.000 Elektroautos auf den Straßen sehen, sie unterstützt die Marktentwicklung sehr. Der Staat könnte aber noch mehr tun. Etwa beim Ausbau der Infrastruktur mit Ladestationen, was sehr nötig ist. In Peking wird darüber nachgedacht, Elektroautos von den Zulassungsbeschränkungen auszunehmen. Wenn das kommt, wird es einen gewaltigen Schub geben.

Werden Sie mit dem Denza Geld verdienen?

WANG: Daimler und BYD arbeiten nicht nur wegen des Gewinns zusammen, sondern auch aus Verantwortungsbewusstsein. Aber wenn der Markt groß genug ist, werden wir auch Profit machen.

[Fotos: itz. (Nrn. 1-4), Daimler (Nr. 5)]

 

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von itzi erschienen in Akte Asien ein Blog von FAZ.NET.


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